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Interview: Was macht ein Spielplatzprüfer?

Spielplätze, die in Deutschland einfach sich selbst überlassen werden? Undenkbar! Eine jährliche Hauptinspektion ist Pflicht, städtische Spielplätze werden sogar einmal die Woche unter die Lupe genommen. Oftmals wird Andreas Fabian damit beauftragt. Immer dabei: Seine Bibel, die DIN EN 1176, die Norm für Spielplätze und Freizeitanlagen. Der Spielplatzprüfer weiß genau, wo er hinschauen muss und er nimmt den viel gescholtenen Sicherheitswahn laut eigenen Worten gern in Kauf. Uns hat er erklärt, warum.

13. Oktober 2021 Allgemein

Andreas Fabian im Gespräch mit Felicitas Mertin und Marie-Charlott Goroncy von Spiel&Freizeit Nord.

Andreas, warum kümmern sich die Betreiber nicht selbst um die Kontrollen ihrer Spielplätze?
Andreas Fabian: Die Betreiber der Spielplätze, also Städte, Kommunen, Themenparks und Hotels, haben oftmals kein ausreichend ausgebildetes Fachpersonal, um die in der DIN festgelegte jährliche Hauptkontrolle der Spielplätze vorzunehmen. Oder sie wollen einfach nur, dass die „Betriebsblindheit“ ausgeschlossen wird. Ich erstelle Protokolle und übergebe sie dem Betreiber, der sich dann um die Reparatur kümmert.

Neben den jährliche Hauptkontrollen darfst du auch als erster neue Spielplätze „ausprobieren“ – warum?
Bevor ein Spielplatz für die Kinder freigegeben wird, schaue ich mir die einzelnen Geräte noch einmal genau an und bewerte die Normkonformität. Bei diesen Endabnahmen geht es in erster Linie darum, Montagefehler oder unzureichende Sicherheitsräume zu erkennen. Es kommt vor, dass ein Gerät nicht normkonform ist, also nicht der DIN EN 1176-1:12-2017 entspricht, aber trotzdem ein gültiges TÜV-Zertifikat besitzt – dann wird es interessant! Dann muss ich mich mit dem Hersteller auseinandersetzen.

Welche Mängel stellst du bei deinen jährlichen Kontrollen am häufigsten fest?
Morsche Holzbalken, die durch Fäulnis oder Pilzbefall angegriffen sind. Und abgenutzte Kettenglieder bei Nestschaukeln, die müssen dann schnell ersetzt werden.

Was passiert, wenn du richtig gefährliche Mängel entdeckst?
Dann muss das Gerät umgehend gesperrt werden. Ich warte dann bei dem Gerät, bis der Bauhof mit einem Bauzaun eintrifft. Eine abgenutzte Schaukelkette kann ich selbst schnell demontieren und zur Reparatur zum Bauhof bringen. Das entsprechende Werkzeug habe ich im Auto dabei und kann damit auch kleinere Mängel wie lose Verschraubungen oder scharfe Kanten schnell beseitigen.

Du hast schon angedeutet, dass du dich öfter mal mit den Herstellern der Geräte auseinandersetzen musst, warum?
Es geht häufig um unterschiedliche Auslegungen der Norm.

Kannst du ein Beispiel nennen?
Ich erinnere mich an die Abnahme eines Rutschenturms auf einem Schulhof im August 2018. An diesem Tag war es zwar bewölkt, aber es war klar, dass die Rutschfläche schon bei mäßiger Sonneneinstrahlung sehr heiß werden würde, weil sie in südliche Richtung eingebaut wurde.

Ein No-Go bei der Planung von Spielplätzen…
Absolut. Ich habe den Hersteller auf diesen Planungsfehler aufmerksam gemacht. Er wies meine Bemängelung zurück, mit der Begründung, in der DIN stehe nichts von der Ausrichtung von Rutschflächen in bestimmte Himmelsrichtungen. In der DIN wird aber sehr wohl auf die zu erwartenden Umwelteinflüsse hingewiesen: „Wo extreme Klima- oder Wetterbedingungen zu erwarten sind… Wo direkter Hautkontakt zu erwarten ist, sollte Sorgfalt vorherrschen“. Die meisten Hersteller nehmen diese Passage als Anlass, Rutschen immer nach Norden auszurichten. In diesem Fall beharrte der Hersteller aber darauf, dass in der DIN nicht wörtlich „Rutschen müssen nach Norden ausgerichtet werden“ steht. So etwas ärgert mich sehr, da solche Hersteller nur schnell Geräte verkaufen wollen und sich nicht bemühen, dass diese auch sicher auf dem Spielplatz betrieben werden können.

Manchmal kosten diese Fehler am Ende ja auch mehr Geld.
Ja, die Stadt hat mittlerweile für weitere 5000 Euro ein Sonnensegel installieren lassen. Hätte der Hersteller auf den Standort geachtet, wäre der Stadt dieser Aufwand erspart geblieben.

Seit dem 1. November 2018 gilt die neue Fassung der DIN EN 1176. Hat sich viel geändert?
Es hat sich schon etwas geändert. Zum Beispiel sind erstmals die Sprunggeräte in der DIN mit aufgeführt und werden nun anders bewertet.

Gibt es Änderungen, die dich überrascht haben?
Ja. Ich muss für den Laien allerdings im Vorfeld noch etwas erklären: Wir unterscheiden bei Spielgeräten nach erzwungener und nicht erzwungener Bewegung. Erzwungene Bewegung bedeutet einfach erklärt, dass ich nicht mehr von allein einfach anhalten kann. Das ist etwa auf einer Schaukel oder in einem Karussell der Fall. Bei diesen Geräten sind spezielle Anforderungen notwendig wie zum Beispiel eine weiche Aufprallfläche. Im Vorfeld der Veröffentlichung der neuen Norm gab es immer wieder die Forderung, dass Schaukeltiere auf Beton- und Pflasterflächen stehen dürfen sollten, dass es sich bei ihnen also nicht um eine erzwungene Bewegung handelt. Wie erhofft sind jetzt einige Typen von den Anforderungen für erzwungene Bewegung ausgenommen. Aber die Ausführungen zur Fallhöhe lassen wiederum einen ganz anderen Schluss zu: nämlich, dass unter den Wipptieren doch stoßdämpfendes Material vorgesehen werden muss. Es ist in diesem Fall wie in vielen anderen in der DIN eine Frage der Begrifflichkeit, die häufig in die Irre führt.

Viele Eltern, Pädagogen usw. beklagen einen zunehmenden Sicherheitswahn auf Kinderspielplätzen – wie siehst du das? Was antwortest du ihnen?
Ich denke, solange nichts passiert, können Eltern sich gern weiter beklagen. Meistens sind das übrigens die Eltern, die ihre 3-jährigen Kinder auf ein zwei Meter hohes Podest setzen und damit die vom Hersteller entwickelten „Einstiegsfilter“ umgehen. Die in dieser Höhe eingebauten Sicherheitsmaßnahmen sind für 3-jähriges Kind nicht ausgelegt und es kann die Risiken noch nicht richtig einschätzen.
Die DIN regelt nach gesetzlichen Vorgaben (Produktsicherheitsgesetz BGB §823 Absatz 1) das Mindestmaß an Sicherheit, das auf einem Spielplatz eingehalten werden muss. Wenn etwas passiert, beziehen sich die Gerichte auf die DIN als Sicherheitsstandard. Dementsprechend wird der Betreiber in die Pflicht genommen. Sollte er die Vorgaben nicht eingehalten haben, haftet er persönlich. Da nehme ich den Sicherheitswahn doch gern in Kauf und schaffe ein möglichst sicheres Umfeld für Kinder. Es muss aber auch immer ein bisschen kalkulierbares Risiko für die Kinder als Anreiz geben. Sonst wird der sicherste Spielplatz schnell langweilig.

Auf dir lastet eine hohe Verantwortung – siehst du das auch so?
Das sehe ich genauso. Wenn ich einen morschen Balken, eine Fangstelle für den Kopf oder eine abgenutzte Kette übersehe, gerät womöglich ein Kind in Gefahr. Ich möchte nicht in die Situation kommen, dass wegen einer unzureichenden Prüfung von mir ein Kind zu Schaden kommt. Um dem vorzubeugen, gehe ich regelmäßig zu Fortbildungen und tausche mich mit anderen Spielplatzprüfern aus.

Wie wird man überhaupt Spielplatzprüfer?
Das Problem in Deutschland ist, dass die Bezeichnung Spielplatzprüfer nichts über die Qualifikation aussagt. Jeder kann sich Spielplatzprüfer nennen und ohne Kenntnis kontrollieren. Für die Städte ist es daher in der Vergangenheit schwer gewesen, externe, geeignete Prüfer zu ermitteln. Mit Erscheinen der DIN 79161 wurde das besser. Diese DIN 79161 legt fest, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit eine Person überhaupt zu einer Prüfung im Bereich Spielplatzsicherheit zugelassen wird. Darüber hinaus wurden die Prüfungen vereinheitlicht. Das gibt den Städten Sicherheit hinsichtlich der Auswahl der Prüfer. Wer nach DIN 79161 geprüft und zertifiziert ist, kann das durch ein Zertifikat nachweisen und erfüllt zumindest ein Mindestmaß an Sachkenntnis im Bereich der Spielplatzsicherheit.

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